Birk Frank

Home /  Die Birke

Die Birke

Hallo Ralf, bitte kennzeichne die von Dir geschriebenen Abschnitte, daß wir später nicht mit der "Urheberschaft" durcheinander kommen (eine Version ohne diese Vermerke können wir dann immer noch erstellen). Du bist mir eine Nase, scheinst ja eine deiner beliebten utopischen Geschichten daraus machen zu wollen. Na, mal sehen...

Hallo Birk, Du hast es nicht anders gewollt - es war Deine Idee. Reg' Dich hinterher nicht auf, es ist alles Deine Schuld. Mal sehen wie Du Dich da zurechtfindest...


Birk

Als ich mich in den Zug nach Köln gesetzt hatte, wußte ich nicht mehr, ob meine Entscheidung richtig war. Genaugenommen, war mein Kopf in diesem Moment ziemlich leer, gewissermaßen als Sinnbild meines Lebens. Die Ereignisse der letzten Wochen hatten irgendwie ein Schatten auf mein Bewußtsein geworfen. Stück für Stück wurde mir wohl ein Teil meines Hirns aus dem Kopf gerissen, bis schließlich nichts mehr übrig blieb, was der Erwähnung wert wäre.

Ich schaute durch die Fensterscheibe meines Abteils auf den Fernbahnsteig des Bahnhofs Zoo. Dieser Bahnhof hatte für mich noch immer etwas Fremdes und Bedrückendes, obwohl ich schon etliche Male hier war, entweder mit der S-Bahn durchfuhr oder auch in die Fernbahn stieg, um diesem Berlin für ein paar Tage den Rücken zuzukehren. Diese Mischung aus weißem Wänden und getönten Scheiben hatte etwas furchtbar unpersönliches, etwas, das mehr an ein modernes Krankenhaus oder einen Flughafen erinnerte. Im Ostteil der Stadt sind alle Bahnhöfe braun oder grau und die Menschen bunt. Hier am Zoologischen Garten scheint es umgekehrt. All das Weiß und die Graffiti's bilden nur den kontrastreichen Hintergrund zu dem Blau der Jeans oder dem Grau der Anzüge. Vor dem Bahnhof ist es ja noch viel schlimmer. Die grellen Leuchtreklamen hoch oben auf den Häusern, gewissermaßen außer Reichweite von Pflastersteinen, werfen ihr buntes Licht auf einen Haufen Leute, für die der Zoo keine Bahnstation sondern eine Lebensstation ist.

Nicht sehr lange hielt ich den Blick aus dem Fenster aus. Ich mochte die Männer nicht, deren Schlips wie ein großer Pfeil in Richtung ihrer Genitalien zeigte, die Frauen, die, obwohl der Bahnsteig ja überdacht ist, große, häßliche Hüte trugen, aber auch nicht die Elenden, die ihre räudigen Schäferhundmischlinge mit einem Blick aus Arroganz und Übermut spazieren führten und jede Sekunde bereit waren das tödliche Kommando "Faß!" lauthals auszustoßen, falls sie jemand schief ansehe.

Die Brennweite meiner Pupillen veränderte sich und mein Blick reichte nicht mehr gar so weit, er blieb vielmehr an der Fensterscheibe hängen und ich konnte ein schwaches Spiegelbild des Abteils erkennen, in dem ich gerade saß; inklusive meiner eigenen, langweiligen Visage.

Es ist deprimierend, wenn man ein ziemliches Alltagsgesicht hat und dazu noch Brillenträger ist. Ich hatte mal eine eitle Phase und besorgte mir Kontaktlinsen, schließlich war meine Brillenstärke fast schon jenseits von gut und böse in einem Bereich, daß sogar die AOK eine Brille für unzumutbar hielt und einen Großteil des Geldes beisteuerte. Aber nun ist mein Gesicht offen und jedem zugänglich, der seinen Blick darüber hinweg streifen läßt. Direkt wird man heutzutage sowieso nicht mehr angesehen, höchstens als Ausdruck der Mißbilligung. Durch die Brille habe ich ganz kleine braune Augen, ohne Brille sind sie von ziemlich gewöhnlicher Größe und mit Sonnenbrille sind sie gottlob verschwunden. Meine Nase ist etwas dick und meine Stirn recht hoch. Meine Haare sind dunkelblond und nicht besonders lang, fallen aber immer in diesen idiotischen Mittelscheitel. Dem kommt man nur mit einem Pfund Schaumfestiger bei, aber ich mag Schaumfestiger nicht besonders. Mein Bartwuchs ist recht spärlich, wie bei einem Minderjährigen, ein paar Fusseln da, wo die Koteletten sein sollen, etwas Flaum am Kinn und nur ein dunkler Schatten über den Lippen. Das hat mir schon viel Ärger eingebracht. Wenn im Kino ein Film mit FSK 18 lief, wurde ich schon manchesmal nach meinem Personalausweis gefragt. Das besserte sich erst, nachdem ich die Haare länger und dichter wachsen ließ und so ein richtiges Dickdach hatte, aber im Sommer ist es mir einfach zu warm. Na ja, und besonders hoch gewachsen bin ich auch nicht. Ich stehe gern, wenn die anderen sitzen.

Der Zug hatte noch längst nicht vor, mit mir davonzubrausen, dazu war ich viel zu früh eingestiegen. Ich hatte noch genug Zeit, um meine Entscheidung rückgängig zu machen, aber ich fand bei oberflächlichem Überlegen einfach keinen einleuchtenden Grund dafür. Meine Gedanken hopsten sowieso sinnlos hin und her, und ich konnte keinen einzigen davon für längere Zeit festhalten. Wozu auch, sie hatten mit meiner Entscheidung reichlich wenig zu tun.

Zuerst überlegte ich, wann der Schaffner wohl vorbeikäme, um meine Fahrkarte zu kontrollieren. Ich hatte nämlich extra für ihn eine gekauft. Ich hasse das, wenn man soviel Geld für eine Fahrkarte ausgibt, und dann überhaupt keiner kommt, um ein Loch hineinzustanzen. Sowas ist mir tatsächlich schon passiert und es machte mich richtig wütend. Wenn ich ins Kino gehe, reißt schließlich auch jedesmal einer meine Eintrittskarte ein oder sogar ein ganzes Stück ab, dabei ist die beiweitem nicht so teuer, wie ein Ticket nach Köln. Die Bundesbahn ist ohnehin etwas seltsam. Da wollen die für zwanzig Milliarden das Berliner Schienennetz verbessern, und geben mindestens die Hälfte davon für Werbeplakate mit so einem häßlichen Maulwurf aus. Ich habe aber noch keinen Maulwurf in der S-Bahn getroffen, aber sicher gibt er sich für diesen Quatsch nur her, weil er die Zustände nicht sehen kann.

***

Ralf

Vor Jahren gab es mal diese Gesundheitsreform in der damaligen BRD, dort hätte dieser kleine Wurf besser gepaßt wegen seiner Ähnlichkeit mit Herrn Minister Blüm. Aber die neu vereinte Bahn verlegt sich wohl lieber aufs Imagewechseln als aufs Schienen wechseln. Hinterher liegen dann in Berlin überall diese braunen Haufen rum und kleine Kinder spielen Maulwurfjagen.

Durch die gegenüberliegenden Fensterscheiben sah man den S-Bahnsteig. Hunderte fleißige Erdenbürger warten dort Tag für Tag auf eine stickige Beförderung oder eine verdauungshemmende Unterhaltung mit den Arbeitskollegen, die man dann brühheiß zu Hause weitererzählt und so zum eigentlichen Motor der Abführmittelkonjunktur wird.

Mich ließ das heute relativ kalt. Der Luxus eines Einzelplatzes war zwar recht teuer, jedoch unbezahlbar friedlich; und Frieden war genau das, was ich am meisten benötigte, selbstverständlich neben den vielen anderen Kleinigkeiten, die man dauernd so braucht.

Bei diesem Gedanken erinnerte mich meine Nase an die Existenz einer Klimaanlage in diesem HighTech-Zug und verlangte unmißverständlich nach einem Taschentuch. Zugegeben, es war nur so ein Gefühl, aber in diesen Dingen kann ich meiner Nase nichts abschlagen.

Etwas, das man wirklich immer benötigt, ist ein Taschentuch. Ich habe sicherheitshalber immer eine Menge davon mit und so erhob ich mich denn also, um in meiner Reisetasche nach meinen Taschentüchern zu wühlen. Meine Tasche lag recht bequem in dieser gläsernen Ablage, die den Sitzenden über den Köpfen schwebt und hatte es sich gemütlich gemacht. Für eine Tasche war sie noch recht rüstig, wenn man ihr erlauchtes Alter berücksichtigt. Meiner Meinung nach ist so eine ältere Tasche viel sinnvoller als diese modefarbenen Designerwerkstücke, die meistens zu nichts anderem zu gebrauchen sind, als zum Transport einer Information über das Kaufvermögen ihrer Besitzer. Meine Tasche war mir im wesentlich immer eine treue Dienerin und sie konnte ganz schön buckeln.

Bei diesen Betrachtungen war ich schon tief im Inhalt meiner Tasche vergraben, ich stand dabei leicht auf den Zehenspitzen und versuchte mittels kräftiger Streckung meiner Arme einen besonders großen Wirkungsradius zu erzielen. Durch diese Anstrengung begann sich mein Kopf zu röten und auf meiner für solche Anstrengungen besonders wirkungsvoll hohen Stirn sammelten sich erste Schweißperlen, als jemand mit bezaubernder Stimme feststellte:

"Ach hier ist ja noch ein Plätzchen frei für uns beide. Friedel mach Platz!".

Abrupt unterbrach ich meine Bemühungen und wendete meinen Kopf in Richtung Geräusche.

Dort thronte bereits ein feucht keuchender Boxer mit tränennassen Augen und erschrak sichtlich bei meinen Anblick: Er begann zu knurren. Meine Armen blieben in der Höhe und meine Zunge in der Kehle stecken. In Sekundenschnelle begriff ich, daß eine unkluge Bewegung tödlich sein konnte. Auch fiel mir keine kluge Bewegung ein.

Doch ein süß geflötetes: "Friedel, laß doch den jungen Mann zufrieden. Wir sind noch nicht bei den Wettkämpfen, er bringt das immer so durcheinander müssen Sie wissen, aber er ist so unheimlich lieb, nicht war kleiner Friedel?"

Damit brachte sich eine wandelnde Ledermontur mit schwarzen Lackhaaren und Tomatenmund in meinen Gesichtskreis und Friedel dazu mich nur noch fragend anzublicken.

Üblicherweise ertrage ich derartige Peinlichkeiten mindestens drei Minuten, ich muß aber zumindestens etwas vorgewarnt sein. Dies traf mich jedoch aus so heiter-lilanen Zughimmel, daß ich keine Schutzmöglichkeiten besaß. Wirres Gestammel entfloß meinem Mund. Mir fiel auch in diesem Moment ein, daß meine Taschentücher aus einem Laden stammten, der die blöde Eigenart hatte überall seinen Namen draufzudrucken, und so ignorierte ich meine Nase und ließ meine Arme an meine Seiten zurückfallen.

"Sie müssen das dem Friedel wirklich nicht übel nehmen, er ist ja nur ein Hund und fast noch ein Kind, er hat ja noch gar nichts von der Welt gesehen. Die paar Wettkämpfe, aber da hat er ja auch nur andere Hunde gesehen, und die begrüßen sich da halt so, bevor sie dann mit den Wettkämpfen anfangen. Aber Friedel hat sie immer alle besiegt, nicht war mein Schatz? Und nun sei ganz lieb zu dem netten jungen Mann.

Möchten Sie ein Taschentuch, sie sehen ganz rot im Gesicht aus und sie haben ja lauter Schweiß auf der Stirn, in Ihrem Zustand sollte man vielleicht nicht solch weite Reisen unternehmen, man weiß ja nie was so alles passieren kann, und dann steht man da, hat große Abenteuer zu bewältigen und plötzlich stellt man zu seinem größten Bedauern fest, daß man sich erkältet hat und unbedingt für einige Zeit ins Bettchen muß, um sich bei einer Tasse Fencheltee mit Honig so richtig die Krankheit aus dem Körper zu schwitzen. Das würde ich Ihnen wirklich empfehlen, Sie sehen gar nicht gut aus."

Mit diesen bewundernswert treffenden Worten betupfte sie meine erschrockene Stirn und zerstampfte ganz unbewußt mein Gebirge an Optimismus der mich durch diesen trüben Tag bis in diesen Zug geschleppt hatte.

Meine Beine knickten ein und ich landete auf meiner Zeitung, die ich vorhin neben mich gelegt hatte, mitten ins Gesicht dieses dämlich grinsenden Topmodels vom Titelblatt, daß mich verführt hatte diese Zeitung zu kaufen.

Unterdessen nahmen meine Augen den Versuch auf, mit meinem Gehirn zu kommunizieren, denn sie hatten wichtiges zu berichten:

Die Ledermontur war sehr schwarz und extrem maßgeschneidert. So gewann ich recht schnell einen sehr konkreten Überblick über die Beschaffenheit der vor mir stehenden Persönlichkeit.

***

Birk

Ja, Persönlichkeit ist tatsächlich ein treffender Ausdruck. Es ist schon etwas Außergewöhnliches, wenn eine Frau in dem Alter, wie das dieser Killerbesitzerin, solch einen italienischen "Mama Pasta"- Umfang hat und diesen dann in ein dermaßen schwarzes Lederkostüm zwängt, daß man denken muß, daß für sie zwei Dutzend Tieren das Fell über die Ohren gezogen wurde. Gott, war die Alte runzlig. Dagegen war das Fell ihres Boxers spiegelglatt und wirkte bei weitem besser rasiert, als das seiner Besitzerin.

Es ist eigentlich nicht meine Art, über andere Leute zu lästern, aber sie positionierte sich und ihren Hund so, daß für mich in diesem Abteil eigentlich gar kein Platz war und ich ernsthaft überlegen mußte, ob ich mich nicht zu meiner Tasche setze. Außerdem hielt sie mir noch immer dieses nach Lavendel stinkende Taschentuch vor die Nase und deren Reaktion war, daß sie am liebsten davor davonlaufen wollte und ich konnte sie nur mit eben diesem Taschentuch bremsen. Manchmal schlägt das Schicksal aber wirklich grausam zu. Eine schnelle Entscheidung war von Nöten.

Ich schniefte kurz aber entschlossen, um meine Nase wenigstens am Ausbrechen zu hindern und schob ihre Hand mit dem Lavendeltuch leicht zur Seite.

Mit einem "Danke, halb so schlimm." versuchte ich mich rauszureden.

Ich hätte die Hand dieser Frau nicht berühren sollen, denn kaum war es geschehen, schnappte der Hund nach mir. Ich dachte schon, jetzt wäre mein Arm ein Stück kürzer und sein Maul ein Stück voller, aber das Monster entriß der alten Frau nur das Taschentuch und schnupperte minutenlang daran.

Er ist ein Lavendeljunkee, dachte ich entsetzt.

"Können sie der Töle keinen Maulkorb verpassen?" fragte ich wütend, der Schreck steckte noch ziemlich tief in meinen Knochen.

"Was denken sie denn, junger Mann. Da würden die Leute ja denken, mein Friedelchen wäre gefährlich."

"Aber die Leute würden auch denken, daß sie sicherer wären." giftete ich zurück, "hat er überhaupt eine Platzkarte, ich wette, sie haben ihn als Gepäck angemeldet."

"Unverschämter Bengel, noch ein Wort über mein Hundchen und ich melde Sie dem Zugbegleiter."

Irgendwie überkam mich das Gefühl, daß ich bei der Angelegenheit den Kürzeren ziehen würde, und sei es nur der kürzere Arm, und so sagte ich tatsächlich kein Wort mehr. Ich wollte irgendwie beschäftigt tun und kümmerte mich deshalb wieder um meine Tasche. Ich stand vorsichtig auf, jede hektische Bewegung vermeidend, richtete mich wieder auf Zehenspitzen meiner geliebten Tasche entgegen und kramte mit Mühe und Not nach meinen Taschentüchern. Es war wirklich verdammt hoch.

"Holen sie ihn doch runter."

"Wie?"

"Na das Gepäckregal."

Statt weiterer Erläuterungen, drückte die fette Ledermontur auf einen von zwei kleinen Knöpfen an der Fensterseite des Abteils und die Ablage glitt mit dem Zischen einer unsichtbaren Hydraulik herab. Nun war es bequemer an die Tasche heranzukommen. Ich holte ein Taschentuch hervor. Der Boxer, von Taschentüchern magisch angezogen, wollte sogleich kontrollieren, ob es irgendwie süchtig riechen würde und sprang zu meinem größten Schrecken neben die Tasche auf die Ablage und schnupperte dabei an meinem Taschentuch.

Das ging entschieden zu weit. Mit einer mir unbekannten Entschiedenheit drückte ich den anderen Knopf am Fenster und das Regal schoß zischend in die Höhe. Bevor es sich der Hund versah, klebte er weit über uns kurz unter der Decke und begann schrecklich zu jaulen.

"Sie Scheusal!" spuckte die Alte aus, "mein armer Friedel hat doch Höhenangst." Dabei drückte sie wieder den Abwärtsknopf, doch durch meine Entschiedenheit muß die Mechanik irgendwie gelitten haben. Das Gepäckteil rührte sich keinen Millimeter mehr.

Die fette Lederdame drückte wie verrückt auf den Knöpfen herum, merkte bald das es sinnlos war und stand ihrerseits auf, um an das Regal zu kommen. Pech für sie, daß sie ein Stück kleiner war als ich. Die Bestie jaulte wie ein frisch geschlachteter Wolf, traute sich aber nicht hinunterzuspringen.

Die Alte hopste hoch, das der Zug wackelte, aber es half nichts. Langsam begann sie hysterisch zu werden, jaulte fast so wie ihr Friedelvieh und ließ das Abteil beben.

Ich betrachtete das Ganze irgendwie mit einer gewissen Gelassenheit. Ich hatte das Gefühl, daß ich, wenn auch nicht akustisch, meine Ruhe hätte, solange sie ihren Friedel nicht gerettet hatte und putzte mir mit einer erstaunlichen Seelenruhe erstmal die Nase.

***

Ralf

Irgendwie gibt es im Himmel (oder sollte es doch die Untere Abteilung sein?) eine Nebenstelle, die sich mit Problemen unserer älteren Mitmenschen befaßt. Sie hatten dort gerade erst eine große Inventur hinter sich und waren dementsprechend arbeitswütig. Das große Donnerwetter steckte noch allen in den erlauchten Knochen und das mag etwas heißen, denn bekanntlich sind die Knochen von Himmelsbewohnern so ziemlich das Unempfindlichste, was es geben mag.

Das große Sagen (natürlich hat ER das Sagen) - man könnte in diesem Zusammenhang wohl von einem gewissen Unter - Sagen sprechen - in der N,dsmPuäMb hatte seit diesem oben erwähnten Zurechtrücken der gewohnten Verwaltungs- und Bearbeitungsverfahren ein gewisser Hurtzelior, Kiesengel der dritten Stufe. Über seiner Bürowolke prangte bereits in nektarfarbener Farbe: Hurtzelior - Erlauchter der Kiesengel in SEINER dritten Stufe. Und darauf war Hurtzelior sehr stolz. Er stimmte ein lautes Hallejujah an und pries IHN und SEINE göttlichen Einfälle. Nebenbei muß natürlich ein enormes intrigantes Vermögen dieses Kiesengels erwähnt werden, denn ganz ohne Fingerzeig ruht auch SEINE Hand nicht auf den himmlischen Verwaltungsgeschäften.

Um nicht von meiner Situation abzulenken - Ich erregte die Aufmerksamkeit des wachsamen Leiters der N,dsmPuäMb.

Hurtzelior hörte mit wachsendem Unbehagen dem Bericht des Granulatengels zu. In diesem Bericht wurde mehrfach darauf hingewiesen, daß ich ohne besonderen Grund bösartig und vorlaut gegenüber einer IHM besonders nahestehenden Persönlichkeit gehandelt hätte. Der Granulatengel besaß eine schon fast magisch zu nennende Fähigkeit zur Übertreibung und so wird es wohl niemanden all zu sehr verwundern, daß Hurtzelior eine strenge Maßnahme für durchaus angemessen hielt. Er wollte hart durchgreifen!

Aufgrund verschiedener Umstände, die sehr viel mit SEINER besonderen Beziehung zu Raum-Zeit-Verschiebungen zu tun hatten, geschahen all diese himmlischen Ereignisse in der Zeit, die ich benötigte, mein Taschentuch in Anschlag zu bringen, um gleich darauf loszuschnauben. Es war genau der Augenblick, wo man die Luft anhält und die Augen schließt, damit niemand das leichte Herausquellen der Augen sieht.

Und genau in diesem Augenblick spitzten sich die Ereignisse dramatisch zu:

Friedel verlor den Kampf mit seiner Höhenangst. Durch das leichte Gefälle der Gepäckablage entstand ein wohl zirkulierter Abfluß dessen Wirkung ich siedend heiß in meinem Nacken spürte.

"Ihre Fahrkarten bitte!" sagte der Schaffner, dem ich mit einem gräßlichen "Nein!!!" ansprang, und der daraufhin rücklings über einen Kofferberg polterte, woraufhin der oberste Koffer nachgab und mit einem gigantischen "Plopp!" platzte. Mein Nacken war unheimlich naß und meine Gedanken weigerten sich, sich einzugestehen, daß sie sich sehr wohl denken konnten, was da so naß war.

Der Granulatengel materialisierte über unseren Köpfen unter dem heiter-lilanen Zughimmel und versuchte ein göttliches "Ä-himhim!", wobei ihn allerdings alle ignorierten - bis auf Ledermontur, die sich dachte, zu guter Letzt doch noch in den Himmel zu kommen. Der Schaffner erkannte plötzlich sein wahres Ich und schrie : "Uff!" Mein Magen bekam Besuch vom Knie des Bahnangestellten, überlegte sich einen passenden Kündigungstext und informierte mich über seine Absichten mit einem deutlichen Protest, der zu dreihundert Prozent aus sehr unangenehmen Gefühlen bestand.

Mein Gehirn wollte damit nicht unbedingt fertig werden und überlegte sich bereits einen triftigen Grund zum aussteigen, doch auch Friedel wollte aussteigen und lenkte mit einem gezielten sakrilegischen Sprung die Aufmerksamkeiten aller Betroffenen auf den Granulatengel.

Friedel hatte schnell kalkuliert: Ein Sprung von Oben nach Unten war zu gefährlich. Aber ein Sprung von Oben auf etwas das Flügel hatte, also bequemer nach Unten kam, war viel verlockender und nicht zuletzt war Friedel ein Killer.

Herzhaft schlug er seine Reißer in den Granulatengel, der sehr betroffen aussah und Schwierigkeiten mit der Balance bekam.

Wen wundert es, wenn er " Oh, GOTT " hauchte?

Leider war ER verhindert.

Friedel aber wurde grün. Zwar mögen Hunde Knochen. Auch alte Knochen. Aber Granulatengel hatte deutlich zu alte Knochen, die sehr deutlich schon lange tot waren und zudem viel zu deutlich nach Nektar und Ambrosia schmeckten, was Hundemägen gar nicht mögen.

An dieser Stelle sei kurz erwähnt, daß dies Jahr ein deutliches Ansteigen der protestierenden Mägen zu verzeichnen ist, was nicht nur auf das gestiegenen Aufklärungspotential in der breiten Magenöffentlichkeit zurückzuführen ist. Wichtige Mäganologen prognostizieren auch im nächsten Jahr ein weiteres Erstarken der mägonalen Unabhängigkeitsbewegung und schreiben dies einer neuen Hippie-Ära zu.

Jener todesmutige Sprung von Killer-Friedel hatte den himmlischen Auftritt des Granulatengel beträchtlich verhunzt und Granulatengel sind im allgemeinen noch nicht mit jener bekannten Engelsgeduld behaftet wie mancher vielleicht bisher annahm. Dieser Granulatengel stand noch ganz zu Beginn seiner Laufbahn und war dementsprechend ungehalten. Vielleicht mochte er auch bloß keine grünen Hunde - was ich ihm durchaus nicht verübeln konnte - auf jeden Fall befreite er sich abrupt von Friedel, der entsetzlich mit seinem Magen ringend, auf Ledermontur landete.

***

Birk

Kurzum, bis auf dem Emporkömmling in Granulat hatten alle wieder festen Boden unter den Füßen. Selbst die Gepäckablage hatte den Erschütterungen nachgegeben und sauste hinab.

An sich hätten bis auf den alten Knochen alle zufrieden sein können, doch durch die plötzlichen Ereignisse waren etliche Situationen eingetreten, die einer Problemlösung bedürften.

Die Ledermontur litt erheblich unter der Last ihres Friedels und es fiel ihr nicht leicht, den, ihr Gesicht abschleckenden, dabei jegliche Spur von Make-up zerwischenden, Hund aufgrund ihrer massigen Unbeweglichkeit von sich zu weisen.

Der Schaffner mußte sich aus unerfindlichen Gründen in das Abteil übergeben und was er dort von sich gab, hatte eine große farbliche Ähnlichkeit mit der neuen Nuance des Köters. Ein von den Mäganologen befürchteter Aufstand?

Zu allem Unglück hatte sich die Gepäckablage auf meinem Arm niedergelassen, der unrettbar eingeklemmt zu sein schien und ich mußte mir ernsthaft Sorgen machen, wie ich mir in Zukunft mit einer Hand die Nase schnauben sollte.

Allerdings gab es auch positive Nachrichten. Der Granulatengel hatte bisher nichts Folgenschweres unternommen, er war noch immer bemüht, sein inneres und äußeres Gleichgewicht wieder herzustellen. Zudem setzte sich mittlerweile der Zug, auch Trans Stellar genannt, in Bewegung. Der Bahnsteig entfernte sich mit zunehmender Geschwindigkeit aus meinem Blickfeld und mit ihm jede Hoffnung auf eine angenehme Reise.

 


Kapitel 2

Kaum zehn Minuten waren vergangen, daß sich der Zug Berlin - Köln - Saturn seinem Zwischenhalt näherte und ich mußte mir ernsthaft Gedanken machen, rechtzeitig zum Ausgang zu gelangen, schließlich nahte flugs das eigentliche Ziel meiner Reise. Doch wie sollte mir das gelingen, da sich mein allmählich entschlafender Arm noch in inniger Verbindung mit dem Gepäckteil befand und auf dem Weg zur Abteiltür noch etliche Hindernisse zu überwinden waren.

****

Ralf

So zum Beispiel eine extrem übellaunige Ledermontur, die feststellen mußte, daß wahre Killer sich nicht nur mit Make-up beschäftigen, um danach dem Alltagstrott zu frönen. Mit einem energischen Biß versuchte Friedel mit einer langstieligen Grundlage seinen empfindsamen Magen zu bestechen, womit ihm zumindestens eine Aktivierung bisher nicht bekannter ledermonturener Beschleunigungskräfte gelang, was dazu führte, daß mich mehrere Tonnen Lebendgewicht aus der Klemme in eine noch immer übelgrün dampfende mäganologisch sehr wertvolle Pfütze fegten um gleichzeitig das liebe Friedelvieh in die weit geöffneten Schaffneraugen zu jagen. Instinktiv drückte der Schaffner beide Augen zu - Granulatengel brauchte also kein Ticket zu lösen - ;seine stahlverstärkten Augenlider zwangen Friedel zur Aufgabe von Nase und Deckung und er plumpste sichtlich mißverstanden hart aufschlagend auf mich.

Zum Glück. Denn nun hatte Granulatengel erkannt, was die Stunde schlug (natürlich mit ES - the Beep - und sie sind immer in SEINER Reichweite). Zur Bestrafung war er hergekommen und zur Bestrafung wollte er jetzt kommen - ein Blitz schlug auf mich los und mir wurde ganz anders.

Ganz anders wurde auch Friedel, den der Blitz traf - zuerst blaß, dann milchig und irgendwie; wenn das jetzt noch irgendein Nichtmäganologe hören kann - magenfreundlich. Ein kalter Schluck Milchkaffee halt, der mich fürchterlich durchnäßte. Granulatengel, wie wir bereits lasen, ein Anfänger, verlor sichtlich die Kontrolle über seine Gefühle:

"Schon wieder ein falscher Spruch. Jedesmal werde ich mit diesen Frühstückssprüchen losgeschickt, bestimmt wieder irgend so ein alter Hippie in der Verwaltung der Göttlichen Gaben . Damit ist jetzt aber Schluß!!!" und mit einem lauten unbeachteten Plopp verschwand Granulatengel. Sofort erschien an seiner Stelle ein feurigschaurig glühender Sulfidteufel und schrie uns alle an:

"Wo ist der unzufriedene Engel hin? Ich soll ihn hier abholen - son Scheiß!!!"

Es ploppte erneut und Sulfid war weg. So viele Plopps erinnerten mich sofort an meine Kindheit. Ob ich recht hatte oder nicht sagte mir aber auch nicht das Licht, sondern eine wichtige Persönlichkeit, die bis zu diesem Augenblick noch nicht in Erscheinung getreten war - Dirk, die rebellische Biene.

****

Birk

Die Wichtigkeit von Dirk erwuchs aus seiner Nervigkeit, denn ein jedem ist klar, daß Bienen ewig Summen und die stets lauernde Gefahr von Bienenstichen bedeuten, und damit ist garantiert nicht die konditorische Köstlichkeit gemeint. Ich war mir der lauernden Gefahren bewußt und fragte Dirk:

"Was willst du?"

"Nerven..." war seine Antwort verbunden mit einem deutlich vernehmbaren Brummen.

"Mich wirst du aber nicht nerven!" sprach ich und schlug, kaum die Worte ausgesprochen, nach dem Minimonster.

Wenn man auch nicht davon ausgehen konnte, daß heute mein Glückstag sei, so konnte ich mich doch, nachdem ich Dirk auf Anhieb mit einem Schlag in die ewigen Granulatgründe schicken konnte, nicht des Gefühls erwehren, daß noch nicht alles verloren sei.

Mein gezielter Schlag hinterließ neben den Spuren der sterblichen Hülle von Dirk auch ein akustisch als PLOPP wahrnehmbares Geräusch und damit hatte es sich. Eine flotte Biene war das scheinbar nicht gewesen.

Welche globalen Konsequenzen dieser Schlag für meine Zukunft haben sollte, konnte ich in diesem Moment noch nicht absehen.

PS Ich glaube, wir haben uns etwas verfahren. Ich finde die ständige Einführung neuer Figuren Deinerseits ohne Entwicklung der Handlung oder der bisherigen Personen nicht besonders reizvoll. Dem habe ich ja, kurz und schmerzvoll entgegengewirkt. Versuche doch mal den Ausstieg in Köln zu bewerkstelligen oder zu vereiteln...

Ehrlich gesagt, sehe ich ohne Grundkonzept auch keine Möglichkeit, die ganzen Figuren "sinnvoll" unter einem Hut zu bekommen.

Vielleicht sollten wir uns mal zusammensetzen und ein derartiges Konzept (a la PR) erarbeiten. Dann haben wir vielleicht einen sinnvollen Leitfaden. Was hältst Du von einer etwas gegenwärtigen Geschichte, z.B. eine Art Verschwörung oder so. Unheimliche Dinge passieren, die keiner erklären kann. Ein unbedarfter junger Mann wird gegen seinen Willen darin verstrickt und versucht nun, das Ganze aufzuklären, um sich aus den Verstrickungen befreien zu können. Bald aber bemerkt er, daß das Ausmaß der Verschwörung seine Fähigkeiten bei weitem übersteigt. Wird er trotzdem den Kampf aufnehmen?

Oder so was in der Art.

Oder hast Du an sowas kein Interesse? Die Ursache könnte ja etwas Außerirdisches oder Überirdisches sein...

Ich hatte so etwas auch schon mal mit Silke geplant, aber über das Stadium der Absichtserklärung ist es noch nicht gereift. Wir könnten uns ja einen Tag mal zu dritt hinsetzen...

J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J J

Ralf

Ich konnte ja auch nicht ahnen, in welch universalen Fasching ich da geraten war.

Zumindestens die Deutsche Bahn AG mußte wohl schon eine gewisse unterschwellige Ahnung haben, denn just in dieser prekären Situation bremste unser sehr spontaner Zugführer direkt im Kölner Hauptbahnhof. Um den Weg zum Ausgang brauchte ich mir daher keine Sorgen mehr zu machen, wir waren alle schon da und da die Türen vollautomatisch öffneten, beförderte uns unser Restschwung auch noch ein klein wenig weiter.

Etwas benommen stand ich also auf dem Bahnsteig. Der Zug war schon wieder im Anfahren, als das Fenster von meinem Abteil, auf dessen Glasscheibe ein ganz Ausgefuchster ein Papierkreuz gebastelt hatte, herunterglitt und mir mit einer tiefen Stimme meine teure Reisetasche herausgereicht wurde:

"Der Besitzer ist irgendwo da Draußen ..."

Damit verschwand der Zug zu seinem fernen Ziel und ob er wohl jemals wiederkommen würde, wußte ich nicht.

Am Bahnhofskiosk kaufte ich mir irgendwie hungrig geworden eine Packung Duplos und die neueste Ausgabe des Kölner Skandalblattes. Wie erwartet fand ich auf Seite zweihundertzwölf neben der Scheidungsanzeige von Johannes Paul II. den entscheidenden Hinweis auf mein Nachtquartier:

 

Nerven Dich Bienen?

Bereiten Dir abartige Nebenfiguren schlaflose Nächte?

Haßt Du nichts mehr als doofe Typen die Dirk heißen?

Lederallergie?

Dann komm zu mir : Totengräbers Nachthotel è nur 5 Minuten von Dir !

Es war eine ehrliche Annonce. Nach fünf Minuten stand ich vor einer einfachen Tischrezeption und sah in die glasklaren Augen einer elektronischen Überwachungskammera. Es war ein stummes Duell - und ich verlor - ich blinzelte zuerst.

Der Bewegungsmelder schlug Alarm und Nervosität senkte sich in die kühle Kölner Atmosphäre; mir fiel plötzlich ein, kein Kölsch verstehen zu können; Sekunden schnippselten sich in ihre Einzelteile und vergingen bei jedem Rückschlag meines Herzens. Behutsam grinste ich in die Kamera.

Und ich wartete...

Meine Schuhe waren noch nie besonders bequem gewesen, aber sie hatten sich einen besonders ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht, mir dies mitzuteilen uns so wurde ich das Gefühl nicht los, enorm unter Druck zu stehen.

"Ja warum sagen Sie denn nichts, Mister?"

Zuckend fuhr ich um.

"Was?"

"Ja was man halt so sagt ...Ich hätte gern ein Zimmer ..Könnte ich mal Ihre Toilette benützen.. Ist das Hier richtig zum Friedhof...oder so..."

Die bezauberndsten Sekunden meines Lebens waren schon wieder vorüber.

Dort stand Sie!

Meine Traumprinzessin und redete über Banalitäten und es klang wie das Klingeln der Schlüsselblümchen im Frühling kurz nach einem lauwarmen Wärmegewitter.

Mir wurde so schön schummrig...

Als ich wieder zu mir kam, beugte sich meine Traumprinzessin über mich und erklärte mich erst einmal für bettreif. Sie verstehe es sowieso nicht, warum die Bahn immer noch eine Lizenz für den Personentransport hätte, wo doch ständig derart mitgenommene Reisende zu ihr kämen...und während sie mir all das offenbarte war ich völlig hin und weg.

PS: Die Entscheidung ist gefallen! Ein Exposé muß her. Ort und Zeit sind noch zu bestimmen, Getränke und Speisen noch zu besorgen und auch die Bleistifte müssen noch gespitzt werden - aber dann geht es den Granulatengeln und Sulfidteufeln an den Kragen!

(Auf in die unheimliche Fälle der BfA... )

*****

Birk

Ich war noch etwas benommen und verstört, wie sonst konnte ich das Gespräch mit ihr beginnen, als mit den sinnfälligen Worten:

"Wo bin ich?"

Aber sie ließ sich durch so eine unpersönliche und egoistische Frage nicht beirren. Sie legte ihre kühle Hand auf meine heiße Stirn und erwiderte:

"Du bist hier in einem Hotelzimmer. Du warst an der Rezeption irgendwie weggetreten."

Vorsichtig begann, sie mit ihren Fingern durch mein Haar zu gleiten, die daraufhin wie elektrisiert zu kribbeln begannen.

Ich dachte, meine nächste Frage wäre der Situation etwas angemessener, doch meinem Mund entrann nur ein schwaches "Wo ist meine Brille?"

Ihre Hand löste sich von meinem Kopf und ihre Finger wiesen auf einem Nachttisch, der neben dem Bett stand, auf dem ich lag. Ja, da war sie, ordentlich zusammengelegt. Mir schien, als sei sie sogar geputzt worden, denn die Scheiben waren klar und ohne Schlieren, obwohl ich mich nicht mehr daran erinnern konnte, wann es war, als ich sie das letzte mal geputzt hatte.

Ich griff zu der Brille. Als ich sie auf der Nase trug, konnte ich mir ein klareres Bild (ohne Schlieren) von dem Ort machen, an dem ich mich befand.

Es war ein karges kleines Zimmer. Außer dem Bett, in dem ich lag, gab es nur einen Schrank und an einer Wand standen Tisch und Sessel vor einem großen in der Wand eingefaßten Flachbildschirm, der wohl dazu diente, daß man Fernsehen konnte, dem Zimmerservice (falls es einen solchen gab) Anweisungen geben und ähnliche kommunikative Aufgaben erfüllen.

Die Wände waren mit diesen modernen Stimmungstapeten bedeckt, welche ihre Farbe je nach dem Herzrhytmus der in der Nähe befindlicher Personen wechselten. Im Moment flimmerte es von allen Seiten in einem tiefen Blauton, aber ich vermochte nicht zu sagen, ob dafür mein Herzschlag verantwortlich war oder der jener fremden Schönheit an meinem Bett. Noch weniger wußte ich, welche Stimmung dieses Blau bedeuten sollte.

Da ich nun die Brille aufgesetzt hatte, kehrte ihre Hand nicht mehr auf meine Stirn zurück, sondern lag ruhig, wie zufällig abgelegt auf meinem Brustkorb.

Ich schaute sie an, sie sah aus wie ein Hologramm von Pamela Anderson, nur das ihre Haare nicht blond waren, sondern einen tiefen Rotton aufwiesen. Ihre Augen schauten mitleidsvoll und dennoch klar in einem hellen Blau zu mir hinab.

"Welches Hotel ist das hier?" fragte ich sie als nächstes und ärgerte mich gleich wieder, das ich ihre sanften, persönlichen Gesten mit so sachlichen Fragen erwiderte. Aber diese Unwissenheit und Hilflosigkeit, in der ich mich befand, beunruhigte mich so sehr, daß ich diese Frage stellen mußte. Ich konnte mich nicht mehr erinnern an die Anzeige und den Weg in diese Pension.

"Der Ort hier heißt Totengräbers Nachthotel. Du bist in Köln und alles ist gut. Entspanne dich etwas..."

antwortete sie und ihre Hand beschrieb dabei kleine, hauchdünne Kreise auf meiner Brust, die wohl ihr Zeigefinger hervorrufen mußte. Es wirkte, ich entspannte mich. Es wirkte so stark, daß ich nicht mehr in der Lage war, mich zu bewegen. Wie in Hypnose oder Trance lag ich da, konnte meinen Arm, der eben noch die Brille vom Nachttisch zu meiner Nase befördert hatte, nicht mehr rühren, meinen Kopf drehen oder sonst welche Anstalten machen.

Unterdessen bewegte sie ihre Hand weiter in Richtung Hals und die zweite legte sich auf meinen Bauch. Dies intensivierte meine Lethargie nur. Meine Augen starrten ins Leere und dort schimmerte die Tapete in einem unruhigen Violetton. Und als ihre zweite Hand noch etwas tiefer glitt, sah ich ein kräftiges Rot, das meine Sinne vollends benebelte.

*****

Ralf

"Oh Honey!..."gelb-weißes brutales Tapetenlicht stach in meine Augen. Langsam fragte ich mich, wie sie es vermochte, mir an den Ohrläppchen mit der einen und an den Söckchen mit der anderen Hand zu ziehen - aber dieses Tapetenlicht ließ keine Fragen zu.

Bedingungslos ließ ich mir die Ohrlappen kraulen und die Socken von den Füßen fetzen. Ich vergaß jede Hemmung und war wie Dirk in seiner besten Sekunde, wie Granulatengel im Angesicht der ewigen bedeutungslosen Hölle, wie ein besonderer makabrer Untersuchungsgegenstand der oberen zehntausend besserverdienenden Mäganologen dieses Wahlkreises - ich war IHR Held!

An verschiedenen Körperteilen wies ich typische Merkmale einer beginnenden Verwandlung auf -

Supermann - mein Schatten - ...

Wieder war das Licht rot.

Kreisende Zeigefinger und blaue Augen benebelten mich und ich war so willig und so frei wie ein Vogel warum flog ich noch nicht war doch schon so leicht und die sanften Finger und die vier blauen Augen führten mich weg in die Wolken die weißen warum vier in dieser Lichte ...

Warum Vier?

Ruckartig wand ich mich auf. Vor mir das Holo von Feuer-Pam und dahinter ein fies dreinschauender Endvierziger mit sauber geschnittenen Fingernägeln und einem kleinen etwas länglichen Fussel links neben den Knöpfen seines dreireihigen Colanimaßanzuges aus Potsdam.

Ein unangenehmer Charakter. Besonders unangenehm war die circa 45 Millimeter Tatsache in seiner Rechten.

" So, Brille! Das war Dein letzter Besuch in Köln ohne besonders beglaubigte Geburtsurkunde!" und mit einem vernichtenden Seitenblick auf die blankgeputzte Tatsache in seiner Hand fuhr er fort:

"Dafür hab ich gleich eine Beglaubigung Deiner Todesurkunde mitgebracht..."

Mit umständlichen konvulsischen Zuckungen quälte sich ein beherztes Lachen aus der Colani-verformten Anzugsbrust und umhüllte mich mit den belebenden Ausdünstungen verschiedener auf die Schnelle zu sich genommener gut gewürzter südeuropäischer Speisen vergangener Tage.

So gewarnt entwand ich mich vollends der kreisenden Zeigefingerstrukturen und saß fast sofort unterhalb der Schußbahn neben dem Bett.

Colanis Inhalt verfehlte meine vorherige Position knapp - der Flachbildschirm verging in einer gigantischen War-nicht-so-gewollt-Explosion und hinterließ fast gar keine Spuren.

Das vier Zoll große Stück Glassplitter in der Schläfe des Colani-geschützten Tatsachenträgers war solch eine minimale Spur.

Die viel enormeren Tatsachen der bewußtlosen zweiten Spur des letztsekündlichen Vorfalls lagen vor mir dahingestreckt und bewegten sich in gleichförmigen bewußtseinsarmen Atemzügen.

Mein Standpunkt war schwer zu beschreiben, deshalb erhob ich mich.

Unmöglich konnte ich die Tatsachen ignorieren aber ich mußte etwas tun um dem ganzen Schlamassel zu entkommen und endlich meine wohl verdiente Ruhe zu bekommen.

Und eine besonders beglaubigte Geburtsurkunde.

Ich entschied mich für einen fairen Kompromiß:

Mit der linken warf ich mir Feuer-Pam auf die Schulter - mit der rechten fischte ich mir die 45 Millimeter und versuchte dem beißenden Qualm des Schwelbrandes und der Sintflutgefühle der Sprinkleranlage zu entkommen.

Eine computergesteuerte Fluchthilfesimulation wies mir mit Hilfe von kleinen grünen Bildern auf denen eine kleiner geradliniger weißer Kerl durch bereits offene Türen stürmte den Weg hinaus aus dem Chaos hinein in ein sauber eingerichtetes Einfamilienappartement in der achten Etage.

Mühsam beherrscht warf ich nur die 45 Millimeter von mir und ließ mir für den Rest etwas mehr Zeit.

Das war auch gut so.

Denn sie erwachte...

" Oh - Du bist ... bei mir... o.k. ... also wasche ich ab und du trocknest ab..."

********

Birk

Irgendwie schien sie noch nicht mitbekommen zu haben, daß sie etwas mitgenommen war, als ich sie mitnahm und sie mittendrin das Bewußtsein verloren hatte.

Im Zweifelsfall scheinen diese Androiden in eine Art Standardmodus zu verfallen. Die meisten User scheinen dieses Modell im Haushalt genutzt zu haben und nicht im Schlafzimmer.

Schade eigentlich, aber Ende der Romantik.

Da ich nicht wußte, wo sich in diesem Appartement die Küche befand und ich keine Lust zum Abtrocknen hatte, sagte ich schlicht:

"Standby." und wurde vorerst von weiteren kreativen Vorschlägen verschont.

Da ich mich selbst nicht auch abschalten konnte, verließ ich das Appartement wieder und ging noch einmal in die Nähe des Tatorts. Damit wollte ich nicht das Klischee vom Killer erfüllen, der immer wieder dort hin zurück muß, sondern ich war einfach neugierig, wie sich die Dinge inzwischen entwickelt hatten.

Sie hatten sich zu einem kleinen Hochwasser entwickelt, denn obwohl von Feuer keine Spur mehr zu sehen war und sich auch der Rauch verzogen hatte, setzte die Berieselungsanlage unermüdlich ihr Werk fort, sie rieselte.

Das Wasser reichte schon bis zur Unterseite meiner Knie und an mir schwammen verschiedene Einrichtungsgegenstände vorbei. Darunter befand sich auch ein lebloser Körper mit Glassplitter und 45er.

Birk , warum sollte er zwei 45er besessen haben ?

 

Im Vorbeischwimmen entwand in den schon erstaunlich steifen Fingern die Waffe und durchsuchte die Jacke des Typen, indem ich neben ihm her in Richtung des Stroms watete. Er hatte keine besonders beglaubigte Geburtsurkunde dabei, nur etwas Kleingeld und einen Stapel mit Visitenkarten.

Darauf stand

The Butcher

Erledigt alle Probleme schnell und blutig

Telefon: abgestellt

Ich wußte gar nicht, daß man mittlerweile mit seinen Telekomproblemen prahlte. Er hatte sich bestimmt geweigert, ein erhebliches Aktienpaket aus den Beständen Regierung zu erwerben. Recht so, daß er nun verblichen war oder eher aufgeweicht.

Ich folgte ihm weiter die Nottreppe hinab, aber als er aus dem Motelgebäude herausschwappte, schlug ich eine andere Richtung ein.

****

Ralf

Hinter mir ein vielversprechender Mitteleuropäischer Gratiswasserfall, neben mir ein neuerliches grandios kurzlebiges Beispiel für eine weitere erfolglose Nebenfigur im furchtbar dramatischen Verlauf meines Lebens und vor mir eine bereits eingeschlagene Richtung, die mich mit ihrem ekligen Nebelwetter keine großartige Sicht auf die Dinge werfen ließ.

Beim Zerteilen der diversen Nebelschwaden las ich mir erneut die gerade einem Toten entwendeten Visitenkarten durch. Besonders der versteckte Telekomhinweis beschäftigte mich sehr.

In Zeiten der Beschätigungsarmut und der besonders grassierenden Beschäftigungsschwäche war mir schon recht warm ums Herz derart beschäftigt zu werden und so gelang es meinem dadurch enorm motivierten Geist eine Spur zu entdecken:

The Butcher war ein ehemaliger Telekommitarbeiter!

Wahrscheinlich auf einem Rachefeldzug.

Ich begann langsam zu bereuen den Colanimann mit den zwei Colts nicht näher kennengelernt zu haben. Er hätte wenigstens eine Chance bekommen sollen, sein Ziel zu erreichen...

Nun gut - es war Geschichte. Eine jedenfalls. Eine andere Geschichte war das drängende Leichenproblem. Zudem triefte ich furchtbar und fühlte mich zudem nicht besonders taufrisch. Zumindest war Tau nass und somit war ich durchaus in der Lage, mich zutreffend zu beschreiben.

Das schien aber noch andere gekonnt zu haben, denn durch fusselige Nebelschwaden hindurch erkannte ich einen ausgestreckten Arm in fürchterlich begrünter Uniform auf mich zeigen.

Mit neben mir treibender Leiche, zwei 45er und vererbten Telekom-Problemen versprach ich mir keinen besonders guten Argumentationsstand und beschleunigte daher meine Bemühungen, den Ort zu verlassen. Mit heftigen, Schwimmen nicht unähnlichen, Bewegungen sauste ich davon.

In einer wirklich dunklen Gasse versiegte der Löschwasserstrom in einem Kellerloch und meine Kraft in einem beängstigend lautem Magenknurren.

Mäganologisch betrachtet war ich am Ende.

"Beide Sossen?", kurz, prägnant und deutlich vernahm ich diesen Lockruf. Deftige Düfte krochen durch die wirklich dunkle Gasse in meine Nasen. Irgendwo in meinem Unterbewußtsein wurde dabei ein ganzer Katzenstammbaum zusammengestellt, aber mein im Augenblick eher instinktgesteuertes Wachbewußtsein nahm nur diesen einen Duft wirklich war: Kolesterinverdorbenes total verfettetes, fast völlig verbranntes Schrumpelzeugs mit gleichartig zubereiteten, aber andersgefärbten Kartoffelzeugs. Ne Currywurst! 'Was schön'res gibt es nicht, als wie Currywurst!' Trotz Grönys heftigem Warn- und Protestsong war ich plötzlich bereit, mich in das Abenteuer Deutscher Esskultur zu stürzen.

Offensichtlich war ich an der Hintertür eines kleinen, exotisch geführten, Tempels der Gaumenfreuden gelandet. Beherzt durchschritt ich die Pforte und vierliess somit die wirklich dunkle Gasse, um in eine rutschige Atmosphäre aktiven Ölrecyclings zu schlittern. In einer trüb beleuchteten Küche navigierten zwei blendend aussehende Südländer mehrere Töpfe und Pfannen auf zwei Kochgelegenheiten, die direkt aus dem Fegefeuer entwendet zu sein schienen.

"Guckst Du nicht? Das ist nicht Klo, musst Du andere Tür haben!" Die gut präparierte Fussbodenpiste bewirkte, dass mich der freundliche Schubser des Küchenpersonals fast reibungslos in das angrenzende Erleichterungszimmerchen beförderte. Mein Reaktionsvermögen vermochte die bereits auf den Weg geschickten heftigen Proteste nicht in der zur Verfügung stehenden doch recht knappen Zeitspanne zu realisieren, und ohne direkten kausalen Zusammenhang erschienen mir alle Widerstandsbezeugungen einfach nur lächerlich.

Die Örtlichkeit war etwas besser beleuchtet und in zwei kleine Kämmerleins unterteilt. Ich stand immer noch etwas verdutzt in der Waschbeckennische und vernahm aus dem benachbarten Aktionsraum flüsternde Stimmen:

"Wir müssen einen Ersatzmann besorgen. Unser Plan ist extrem gefährdet, sollte uns dies nicht gelingen!"

"Mhm..."

"Der Russe erwartet die Ware Punkt Mitternacht. Eine Verspätung endet tödlich, für wen auch immer...!"

"Mhm..."

An diesem Punkt des Gesprächs war ich ziemlich sicher, weder mit weiteren Bestandteilen, noch mit den Teilnehmern irgend etwas zu tun haben zu wollen. Daher ergriff ich mit festem Griff den Türknauf...
Was wie eine gute Idee in einer unübersichtlichen Situation klingt, erwies sich jedoch als wenig praktikabel, denn zu meinem nicht geringen Entsetzen musste ich feststellen, das gerade dieses wichtige Fluchtutensil nicht an der Tür vorzufinden war.
Mit den Fingerspitzen versuchte ich daher, dem schmierigen Schmutz standhaft entgegentretend, die Tür aufzuziehen.
Instinktiv bemerkte ich in diesem Moment das beunruhigende Wegfallen jeglicher Geräusche und das beängstigende Gefühl in meinem Rücken, angestiert zu werden.
Vorsichtig, die Gefahren des Bodens noch mahnend im Gedächtnis, wendete ich meine Person und Aufmerksamkeit dem drohenden Schweigen zu.
Es waren gleich zwei recht grosse, brutal wirkende Schweigen mit überdimensionalen Fragezeichen in mörderischen Blicken. Bevor die Situation eskalieren konnte und zu Ausrufezeichen mutierte, wagte ich eine beherzte Flucht nach vorn:
"Sie suchen einen Ersatzmann?"

********

Birk

Das eine Fragezeichen schaute grimmig, der andere griesgrimmig.
Zuerst herrschte eine Weile weiteres Schweigen.
Dann wanderte der Blick des Einen weg von mir, hin zu seinem griesgrimmigen Kumpel und er sagte langsam betonend und bedeutungsvoll:
"Mhm..."

Ich unterstützte seine Argumentation mit einem eifrigen:
"Tja..."

Der andere schaute nachdenklich. Ich deutete das Zusammenfalten der Stirn jedenfalls so. Es hätte ja auch noch immer Ausdruck der Grimmigkeit sein können, aber dazu passte der Blick nicht. Dieser ähnelte eben eher einem Fragezeichen als einem Ausrufezeichen. Letzteres hätte er auch sicher mit seiner Faust ausgedrückt statt mit seinen Augen.

"Hast du denn alles nötige dabei?" fragte er schroff.
Nun musste ich wohl das nachdenkliche Gesicht machen. Aber bevor es mir gelang, setzte er auch schon fort:
"Ich bin Mister Brown. Das ist Mister White. Wir brauchen ein günstiges DSL-Modem..."
Dann eine bedeutungsvolle Pause.
"aber ohne Rechnung online."

Eine noch bedeutungsvollere Pause.
"ohne XXL."

Die wohl bedeutungsvollste Pause.
"sondern ganz einfach ohne Rechnung."

Ich nickte wissend. Warum soll ich mich bei meiner irrwitzigen Reise nur über einen Maulwurf aufregen. Auch die Farbe Margenta ist mir ein Dorn im Auge.

"Kannst Du es bis vor Mitternacht besorgen, dann bist Du unser Mann."
Ich erwiderte schnell: "Ja, dann bin ich Euer Ersatzmann."
Und er: "Dann bist du unser Mister Margenta."

Ich dachte, schlimmer kanns ja nicht kommen. Bis mir einfiel, dass sie mich auch Robert hätten nennen können.

Mister Brown drückte mir ein vor Nässe triefendes Handy in die Hand, oder sollte ich sagen Communicator, und sagte mir:
"Wenn Du es hast, rufst Du uns an. Wir treffen uns dann wieder hier. Wenn es uns zu lange dauert, rufen wir Dich an. Unsere Nummer ist 2243783558 oder einfach A-B-G-E-S-T-E-L-L-T."

Da ich weiter mitspielen musste, hielt ich es für richtig, ein bisschen kess zu werden, wie es sich unter südländischen Telekommunikationsjunkies gehört:
"Und was springt für mich raus?"

Die beiden wollten sich eigentlich gerade mit einem zufriedenen "Mhm..." auf den Weg machen, komischerweise in Richtung eines der Kämmerlein, da drehte sich Mister Brown noch einmal um und sagte nur:
"53236."

Weiter nichts. Sie verschwanden in der Kammer, schlossen die Tüür - wie war mir völlig schleierhaft, weil auch diese keine Klinke hatte - und man hörte nur ein summendes Gerääusch wie von einem Teleporter.
Dann herrschte Stille und Einsamkeit.
Es war wohl wirklich ein Teleporter, dieses neumodische gefährliche und überteuerte Transportmittel auf Molekularebene, dass zu Charakterspaltung, Verschwinden im Musterpuffer und erheblichen Missbildungen führen kann.
Der Gesundheitsminister sagt: Beamen gefährdet Ihre Gesundheit! Wer das Beamen aufgibt, verringert da Risiko schwerer Mutationen! Beamen gefährdet die Genetik Ihres Kindes bereits vor der Schwangerschaft!

Aber ich schweife ab. Viel mehr machte ich mir Gedanken über die Telefonnummer, die Mister Kackbrown mir genannt hat...

Der folgende Abschnitt ist für alle amerikanischen Leser, die durch den überhöhten Fernsehkonsum und schlechte Bildung nicht in der Lage sind, Zusammenhänge zu erfassen oder sich Sachen zu merken und denen man alles lauwarm servieren muss, damit sie es verstehen und vor allem damit sie sich nicht ihre Genitalien verbrühen - ach nein, das war Kaffee.

Rückblende

Zwei Stunden zuvor...
In Schwarzweiss, damit es auch als Rückblende verstanden wird und wie eine Traumsequenz aussieht.


"Er hatte keine besonders beglaubigte Geburtsurkunde dabei, nur etwas Kleingeld und einen Stapel Visitenkarten."

Schnitt.

Visitenkarte
Ganz groß: "The Butcher"

Schnitt.

Ganz klein
"Telefon: abgestellt"

Bild verschwimmt.
Stimme aus dem Off, verzerrt nach Mister Brown klingend:

"Unsere Nummer ist 2243783558 oder einfach A-B-G-E-S-T-E-L-L-T."

Pause




Farbe

Aber nun weiter im Text für die alten Europäer:
Das war nun aber ein außerordentlicher Zufall durch den ich in die Rolle des verblichenen - äh - verschwommenen Mister Telekom geraten bin. War der Colanimaßanzug gar gerade dabei, sich ein DSL-Modem ohne Rechnung online aus dem Motelzimmer zu mopsen?

Und nun noch ein Exkurs, weil ich meine Gedanken vor Kaufregung nicht im Zaum halten konnte:
Wozu eigentlich Rechnung online? Damit man erst erfährt, was das alles kostet, wenn man schon online war? Und wie kann ich eine virtuelle Rechnung von der Steuer absetzen? Und warum muss ich eine virtuelle Rechnung mit echtem Geld bezahlen? Reichen da nicht Happy digits? Und warum werden die Grundgebühren immer teurer? Ist das die marktwirtschaftlich logische Konsequenz, wenn die Konkurrenz günstiger ist?
Und warum haben Mehrwertdienste nur für die Anbieter mehr Wert?

Ich musste also zurück in den Swimmingpool vom Motelzimmer, zurück zu Holo-Pam...

********

Ralf

Der kleine, noch nässende Kommunikator war schmal genug, um mein Türproblem mit einer leichten Schiebung lösen zu können, offensichtlich ein Standardtelekomverfahren.
Mit aller vorsichtigen Eile meiner kurzen Füsse störmte ich durch den Hintereingang.
Doch halt.
Da war er wieder, dieser unbeschreibliche Nasenöffner, dieser fantastische, durchgegrillte Currywurstduft. Und so sehr die Probleme auch drängten, die Existenslosigkeit an meinem kurzen Lebensfaden auch zerrte, ich wollte diese Currywurst, jetzt! Und dazu Kartoffelstäbchen, herrlich fett fritiert, tropfend, versalzen, in eine Kombination aus Rot und Weiss getüncht, wozu befand ich mich denn in Köln?
Getrieben vom tyrannischen Dämon Hunger schleppte ich mich in den Gastraum. Die Luft hing als erstickte Leiche in Fetzen herum. Ihr untotes Dasein begann mich zu umgarnen, eklige Teerzungen leckten in meine Nase hinein, konzentrierte Gifte zerfraßen meine Augäpfel. Hustend und den Tränen nahe stieß ich gegen etwas, das Theke zu nennen ich nicht den Mut fand.
Miss Currywurst 1958 schlug mir ihren unbezwingbaren und fürchterlich charmanten Blick entgegen. Gewillt, diese Schlacht zu gewinnen, antwortete ich mit einem Ich bin König Kunde Blick.
Sie gewann.

Last updated 29.08.2004