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Telefonat

Wenn meine Mutter anruft,
ist mein Vater aus.
Heimlich nutzt sie die Gelegenheit.
Sie atmet in den Hörer
bis sie weiß, dass ich es bin,
nicht meine Frau.
Dann will sie nur mal hören,
wie es geht.
Sie flüstert fast, erst tränennah,
dann mit jedem Wort ein wenig vorwurfsvoller,
so als fände sie beim Reden Mut.

Ach gut.

Bei uns auch.
Du könntest ja auch mal anrufen
Und die Kinder?
Aber von uns bösen Eltern willst du ja nichts wissen
Und deine Frau hasst uns ja sowieso,
für uns hast du nichts mehr übrig,
seit den Kindern sind wir nichts mehr wert.
Dann grüß mal schön deine Kinder,
könntest ja mal wieder vorbei kommen!

Ihr doch auch.

Ja klar um böse angestarrt zu werden,
die lässt uns ja eh nicht rein!

Ihr bildet euch das nur ein.

Nichts bilden wir uns ein!
Genau so ist es!
Na dann tschüss!

Ja, Mami.

Wenn ich den Hörer weglege,
hab ich dieses Bild von ihr im Kopf.
Wie sie zornig das Telefon ansieht,
mit den Tränen kämpft,
und ereignislos tut,
wenn mein Vater kommt.

Und nächstes Jahr ruft sie wieder an,
bleibt stumm am Telefon,
bis sie mich dran hat,
um mir alles nochmal zu sagen,
wie all die Jahre,
was mich hilflos macht.
Sie wird sterben,
irgendwann,
und nichts davon ist zwischen uns geklärt.
Wie zwei Stücke Basalt,
die sich stumm gegenüber stehen,
jeder mit den Daten seiner Existenz.

Last updated 13.02.2013