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Tajan Schreiblümchen Om Ba Ket Glossar

Fast schon am Rand der Farm, in Sichtweite der neuen Pilzwälder von Goldhain, fand er ein geeignetes Plätzchen. Gelbes Krollmoos umgab ein sanft oranges Nest dunkler Sanftmoosfäden. Offensichtlich wuchsen hier früher einmal gelbe Bronten, man fand sie meistens im Sanftmoos, aber das nahe Wäldchen hatte die lichtliebenden Blumen vertrieben.

Vorsicht gab Tajan das Korn in eine kleine Mulde in der Mitte des Nestes. Aus einer seiner Hosentaschen kramte er ein Stück Nährfolie und bedekte damit vorsichtig den Samen. "So nun werden wir den Mittagstau noch abwarten, mein schönes Körnchen, und Dein Plätzchen etwas bewachen!" flüsterte er andächtig.
Er kuschelte sich in das Krollmoos, prüfte mit einem kurzen Blick den Stand der Sonne und begann mit kurzen, formalen Sätzen die Pflanzung zu protokollieren.
Dazu nutzte er kleines Taschenblatt, in dessen Eingabebereich er sorgfältig mit der Spitze seines kleinen Fingers jede Einzelheit schrieb.
Viellecht war es nicht seine allerliebste Beschäftigung, aber es machte ihm unglaublichen Spaß seinen Eintragungen den statistischen Flair der Universität zu verleihen.
Da begann das Samenkorn zu schreien.
Es war ein Geräusch, das Tajan fast zur Flucht trieb. Er konnte sich gerade noch beherrschen. Es klang ängstlich und voller Schmerz.
Er hätte sich am liebsten die Ohren verstopft, aber seine Neugier war grösser.
Also setzte er sich in einiger Entfernung ins Moos und bewachte das schreiende Korn.

Der Halbtag und die Mittagsnacht vergingen. Das Samenkorn wuchs in einer erstaunlichen Geschwindigkeit. Tajan hatte von einer Pilzart gehört, die wegen der kurzen Vegetationsperiode, innerhalb von zwei Stunden keimte, Sporen ausstiess und abstarb.
So eine Pflanze musste das hier auch sein. Er war begeistert und fasziniert, vom ewigen Geschrei aber gleichermassen genervt. Die schnelle Entwicklung versprach aber eine baldige Veränderung.
Es bildeten sich schlanke gelbe Blätter, an einem stark gegliederten Stengel, der gegen Abend eine schwach bläulich schimmernde Blüte austrieb. Mit zunehmender Dunkelheit verbreitete sich ein starker, intensiver Blütenduft, der Horngrillen und sogar einen Gelbmooskäfer anzog.
Die so befruchtete Pflanze warf die Blütenblätter ab und aus dem Blütenkelch wuchs eine tief lila gefärbte Schote.

Als die Morgensonne ihm in die Nase piekte, schreckte Tajan hoch.

Die Schote war zerrissen. Von den Resten der Samenhülle umgeben lag ein Mädchen.
Wäre er nicht die ganze Zeit dabei gewesen, hätte er geglaubt, jemand wolle ihm einen Streich spielen.
Das Mädchen war ausgewachsen. Kein Kind oder Baby. Und es sah aus, wie ein ganz normales Mädchen. Tajan konnte sich den Reizen ihres nackten Körpers nicht entziehen.
Er war trotz aller Eigenbrödelei nie lange ohne Freundin gewesen. Das nackte Mädchen da war schön, und es schlug die Augen auf.
Erst jetzt bemerkte er, das das infernalische Geschrei fehlte.
"Sie hat aufgehört!", entfuhr es ihm.
Vorsichtig eilte er zu ihr und beugte er sich über sie.
Ihre Augen schienen ihn auffressen zu wollen. Mühsam entzog er sich ihrem Bann:
"Ich werde Dich Schreiblümchen nennen!"
Sie blinzelte.
"Und Du?", fragte sie.
"Oh!" Vor Überraschung setzte er sich hin.
Aber sofort hellte sich sein Blick mit einem Grinsen auf.
"Du bist das wundersamste Körnchen aller Zeiten," und sie neugierig betrachtend fuhr er fort:
"Und Du kannst reden!", und mit einem Fingerzeig auf sich, "Na klar - ich bin Tajan!"
"Aber," fügte er mit allem Schalk der Welt hinzu, "ich bin nicht Dein Vater!"
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Last updated 20.05.2003